
Die persönliche Entwicklung durch E-Learning fördern
Gruppendynamische Übungen im Blended-Learning Ansatz nach Carl Rogers Prinzipien
Carl Rogers (1902-1987) war ein einflussreicher Psychologe, der den Person zentrierten Ansatz in Therapie, Beratung und Pädagogik einführte.
Rogers‘ humanistischer Ansatz legte den Schwerpunkt auf das Potenzial zur persönlichen Entwicklung und das Streben nach Autonomie und Wachstum von Menschen. Seine Ideen haben die Pädagogik und Beratung nachhaltig beeinflusst.
Er formulierte sieben Prinzipien, die das Selbstkonzept von Lernenden und damit deren persönliche Entwicklung positiv beeinflussen. Seine Botschaften betonen die Bedeutung von bedingungsloser Wertschätzung, Empathie und Echtheit gegenüber dem Lernenden.
Wenn Rogers‘ Prinzipien in E-Learning-Kontexten berücksichtigt werden – insbesondere im Blended-Learning Ansatz – werden die Selbstkonzepte von Lernenden positiv unterstützt.
Aber wie sollten E-Learning-Inhalte gestaltet werden, damit sie sich positiv auf die (Lern-) Energie von Lernenden auswirken?
Ein Rogers‘ Prinzip ist die bedingungslose positive Wertschätzung von Lernenden. Es meint die Annahme und Wertschätzung der Lernenden als individuelle Personen, unabhängig von ihrer Leistung oder ihrem Verhalten. Im Blended-Learning oder in den Präsenzphasen des Lernsettings kann dieses Prinzip durch die Schaffung einer unterstützenden und beziehungsorientierten Lernatmosphäre erreicht werden, zum Beispiel in Workshop-Formaten, in dem die E-Lernenden ihre persönlich gemachten Erfahrungen mit der/dem Kursleiter*in (oder Mentor*in) austauschen.
Die Lernenden können sich in den Workshops so zeigen, wie sie sind und das, was sie denken, fühlen und wahrnehmen in die Lernsituation einbringen. So wird den Lernenden ermöglicht, das Erleben der Mitlernenden wahrzunehmen und nachzuempfinden – ohne Bedingungen zu stellen.
In der Online-Lernphase können dem Lernenden z.B. Bearbeitungsangebote der Aufgaben gemacht werden und durch die Möglichkeit sich in Videokonferenzen mit dem Kursleiter und den Mitlernenden zu verbinden, in ihrem persönlichem Lernweg gestärkt werden.
Wertschätzungs-Karten
Eine Übung, die das Thema Bedingungslose Wertschätzung fokussiert heißt Wertschätzungs-Karten, sie ermöglicht es den Teilnehmern, ihre Wertschätzung auf schriftliche Weise auszudrücken und sie dann zu teilen. Diese Übung kann besonders in virtuellen oder schriftlichen Kommunikationsumgebungen wirksam sein.
- Jeder Teilnehmer erhält eine Karte oder eine virtuelle Nachricht (z. B. per E-Mail oder über eine Online-Plattform).
- Auf dieser Karte oder in der Nachricht schreiben die Teilnehmer eine Wertschätzungsnachricht an einen anderen Teilnehmer in der Gruppe. Sie sollten spezifisch sein und konkret beschreiben, was sie an dieser Person schätzen.
- Die Nachrichten werden dann anonym oder mit Absender verschickt und von den Empfängern gelesen.
Diese Methode erlaubt den Teilnehmern, ihre Wertschätzung auf eine reflektierte und schriftliche Weise auszudrücken, was oft zu tiefgehenden und nachhaltigen Gefühlen führt. Da die Nachrichten anonym sein können, fühlen sich die Teilnehmer möglicherweise freier, ihre Gefühle auszudrücken, ohne Angst vor Reaktionen zu haben.
Ein weiteres Prinzip ist Echtheit und meint die Authentizität und Ehrlichkeit den Lernenden gegenüber. Im E-Learning können authentische Lernmaterialien und Praxisbeispiele aus dem Alltag verwendet werden, um den Lernenden zu zeigen, dass der Kurs relevante und für die eigene Lebensrealität bedeutsame Inhalte bietet. Darüber hinaus können auch interaktive Elemente wie Foren oder Diskussionsgruppen (Social-Learning Elemente) eingerichtet werden, um den Austausch und die Beziehung zwischen den Lernenden zu fördern.
Feedback-Café
Eine Übung, die das Prinzip Authentizität und Ehrlichkeit aufgreift, ist das Feedback-Café, eine Methode, um Echtheit und offene Kommunikation in einer Gruppe zu fördern. Es ermöglicht den Teilnehmern, ehrliches Feedback zu geben und zu empfangen, während sie sich in einer unterstützenden Umgebung befinden. Die Übung kann in folgenden Schritten durchgeführt werden:
- Die Teilnehmer sitzen in einem Kreis, und in der Mitte des Kreises werden Stühle platziert, auf denen jeweils zwei Teilnehmer sitzen.
- Jedes Paar hat eine vorher festgelegte Zeit (z. B. 5 Minuten), um sich gegenseitig Feedback zu geben. Dies kann auf eine bestimmte Frage oder ein Thema bezogen sein.
- Während des Gesprächs sollten die Teilnehmer authentisch sein und ihr Feedback in einer konstruktiven und ehrlichen Weise äußern.
- Nach Ablauf der Zeit wechseln die Paare, und die Übung wird mit neuen Partnern wiederholt.
Diese Übung fördert die Echtheit, da sie die Teilnehmer ermutigt, sich gegenseitig offen und ehrlich Feedback zu geben. Sie hilft auch dabei, die Fähigkeit zur konstruktiven Kritik und zum aktiven Zuhören zu entwickeln, was für eine effektive Zusammenarbeit in Gruppen von großer Bedeutung ist.
Das nächste Rogers‘ Prinzip ist Empathie und meint das einfühlsame Verstehen und die Berücksichtigung der Perspektive des Lernenden. Im Blended-Learning können gruppendynamische Elemente integriert werden, um den persönlichen Austausch zu fördern. Dazu gehören zum Beispiel Szenarien, die reale Situationen widerspiegeln und den Lernenden ermöglichen, verschiedene Perspektiven einzunehmen. Auch interaktive Frage- und Antwortmöglichkeiten können geschaffen werden, um individuelle Fragen und Bedürfnisse der Lernenden zu reflektieren.
Perspektivwechsel
Eine Übung, die das einfühlsame Verstehen fördert, ist der Perspektivwechsel: Diese Übung fördert das einfühlsame Verständnis, indem sie die Teilnehmer dazu ermutigt, die Perspektive einer anderen Person einzunehmen und deren Gedanken und Gefühle zu reflektieren.
- Die Teilnehmer bilden Paare und setzen sich gegenüber.
- Jeder Partner hat die Aufgabe, über ein persönliches Anliegen oder Problem zu sprechen, das ihn beschäftigt. Dies kann etwas aus dem beruflichen oder privaten Leben sein.
- Der Zuhörer hört aktiv zu und stellt während des Gesprächs keine Fragen oder gibt keine Ratschläge.
- Nachdem der Sprecher sein Anliegen geteilt hat, tauschen die Partner die Rollen, und der Zuhörer wird zum Sprecher. Der Sprecher versucht, die Perspektive des ursprünglichen Sprechers einzunehmen und seine Gedanken und Gefühle zu reflektieren.
Diese Übung ermöglicht es den Teilnehmern, Empathie zu entwickeln, indem sie lernen, sich in die Lage anderer Menschen hineinzuversetzen und deren Perspektiven zu verstehen. Es fördert auch die Fähigkeit zur aktiven Zuhörkompetenz und zum einfühlsamen Verständnis.
Das Prinzip Akzeptanz von Gefühlen beinhaltet die Anerkennung und Akzeptanz der emotionalen Erfahrungen des Lernenden. Im Blended-Learning Ansatz kann dies durch den Einbezug von Reflexionsphasen oder Selbstreflexionsaufgaben erreicht werden, in denen die Lernenden ihre eigenen Gefühle und Emotionen im Zusammenhang mit dem Lernprozess erkunden können. Auch der Austausch mit anderen Lernenden oder Mentoren kann einen sicheren Raum bieten, um Gefühle zu erforschen und zu benennen. Als Beispiel dient die folgende Übung:
Empathisches Zuhören in Dyaden
Um die Akzeptanz von erlebten Gefühlen zu fördern, ist das empathische Zuhören in Dyaden (Paaren) eine mögliche Übung. In dieser Übung bilden die Teilnehmer Paare, und jedes Mitglied hat die Gelegenheit, seine Gefühle und Gedanken auszudrücken, während der Partner einfühlsam und ohne Bewertung zuhört.
Die Übung kann folgendermaßen strukturiert sein:
- Die Teilnehmer werden in Paare aufgeteilt.
- Jedes Mitglied hat eine bestimmte Zeit (z. B. 5 Minuten), um über seine Gefühle oder ein bestimmtes Erlebnis zu sprechen.
- Der Zuhörer stellt sicher, dass er aktiv zuhört, ohne zu unterbrechen oder Ratschläge zu geben.
- Nachdem der Sprecher seine Gedanken ausgedrückt hat, wechseln die Rollen, und der Zuhörer wird zum Sprecher.
Diese Übung ermöglicht es den Teilnehmern, ihre Gefühle auszudrücken und gleichzeitig zu erleben, wie es sich anfühlt, von jemand anderem empathisch gehört zu werden. Es fördert das Vertrauen, die Offenheit und die Bereitschaft, sich in einer Gruppe zu öffnen, da die Teilnehmer die Erfahrung machen, dass ihre Gefühle respektiert und akzeptiert werden.
Das Prinzip Wachstumsorientierung beinhaltet die Förderung des individuellen Wachstums und der Entwicklung des Lernenden. Im Blended-Learning können verschiedene Elemente eingebaut werden, um die Wachstumsorientierung zu unterstützen. Dazu gehören zum Beispiel Lernpfade mit verschiedenen Schwierigkeitsstufen, die den individuellen Lernbedürfnissen und -fortschritten angepasst sind.
Auch die Integration von Lernzielen und Fortschrittsverfolgungssystemen kann den Lernenden dabei helfen, ihre eigenen Fortschritte zu erkennen und ihr Wachstum zu fördern. In den Präsenzphasen des Blended-Learning können sich die Lernenden gegenseitig Persönliche Entwicklungspläne (PEP) vorstellen.
Persönliche Entwicklungspläne (PEP)
Die Methode ermöglicht den Lernenden, individuelle Ziele zu setzen und Strategien zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung zu entwickeln.
- Jeder Teilnehmer erstellt einen persönlichen Entwicklungsplan, in dem er langfristige und kurzfristige Ziele für verschiedene Lebensbereiche (z. B. berufliche, persönliche, soziale Ziele) festlegt.
- Die Gruppe kommt regelmäßig zusammen, um ihre Fortschritte zu überprüfen und Unterstützung bei der Umsetzung ihrer Ziele zu bieten.
- Die Teilnehmer können sich gegenseitig Feedback geben, Ressourcen teilen und sich in ihrem Wachstumsprozess unterstützen.
Diese Methode betont die Bedeutung von persönlichem Wachstum und Entwicklung. Indem die Teilnehmer ihre eigenen Ziele definieren und Strategien zur Erreichung dieser Ziele entwickeln, werden sie ermutigt, sich auf kontinuierliches Wachstum zu konzentrieren und ihre Potenziale zu entfalten
Das vorletzte Rogers‘ Prinzip ist die Unterstützung von Autonomie von Menschen –
Es beinhaltet die Anerkennung der eigenen Autonomie und Entscheidungsfreiheit des Lernenden. Im Blended-Learning Format kann dies durch die Bereitstellung von Wahlmöglichkeiten und Selbstlernmaterialien umgesetzt werden. Die Lernenden können beispielsweise aus verschiedenen Lernmodulen oder Aufgaben wählen, die ihren individuellen Interessen und Bedürfnissen entsprechen. Dies fördert, die Selbstbestimmung und Motivation der Lernenden.
Selbstgesteuerte Lerngruppen
Eine Übung zur Förderung der Autonomie sind Selbstgesteuerte Lerngruppen: Diese Methode fördert die Autonomie der Teilnehmer, indem sie ihnen ermöglicht, ihren eigenen Lernprozess zu planen und zu steuern.
- Die Teilnehmer werden in Kleingruppen aufgeteilt, und jede Gruppe wählt ein Thema oder ein Projekt, an dem sie arbeiten möchte.
- Die Gruppen sind weitgehend autonom und verantwortlich für die Planung, Umsetzung und Evaluierung ihres Projekts.
- Die Gruppen treffen Entscheidungen über Ressourcen, Zeitrahmen und Ziele und organisieren sich selbstständig.
Diese Methode betont die Bedeutung der Entscheidungsfreiheit und Selbstverantwortung der Lernenden. Sie erlaubt den Teilnehmern, ihren eigenen Lernweg zu gestalten und fördert ihre Fähigkeit zur Selbstregulierung.
Das letzte Prinzip beschreibt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Es meint die Förderung des Vertrauens von Lernenden in seine eigenen Fähigkeiten und Potenziale. Im Blended-Learning können verschiedene Strategien angewendet werden, um das Selbstvertrauen der Lernenden zu stärken. Dazu gehören zum Beispiel regelmäßige Erfolgserlebnisse, die durch kleine Erfolge, Quizze oder Aufgaben erreicht werden können. Auch die Integration von Mentoring-Programmen oder Peer-Feedback kann den Lernenden helfen, ihr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten aufzubauen.
Peer-Mentoring
Diese Methode ermöglicht Lernenden sich gegenseitig zu unterstützen und Vertrauen in ihre Fähigkeiten aufzubauen.
- Die Gruppe wird in Paare oder kleine Teams aufgeteilt.
- Jedes Team wählt einen Mentor, der die Aufgabe hat, seinen Partner oder seine Teammitglieder in einem bestimmten Bereich oder Thema zu unterstützen.
- Die Mentoren teilen ihr Wissen und ihre Erfahrungen, bieten Unterstützung und ermutigen ihre Partner, ihre Fähigkeiten zu entwickeln.
- Nach einer festgelegten Zeitperiode wechseln die Rollen, und die Partner werden zu Mentoren.
Diese Methode fördert das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, indem sie den Teilnehmern ermöglicht, ihre Fähigkeiten zu teilen und anderen zu helfen. Gleichzeitig erhalten sie Unterstützung und Feedback von ihren Peers, was ihr Selbstvertrauen stärkt.
Zusammenfassung:
Die Förderung der persönlichen Entwicklung durch E-Learning mit dem Blended-Learning-Ansatz wirkt sich positiv aus, wenn die sieben Prinzipien von Carl Rogers zur Förderung eines positiven Selbstkonzeptes von Menschen Beachtung finden.
Seine Prinzipien betonen die Bedeutung von bedingungsloser Wertschätzung, Empathie, Echtheit, Akzeptanz von Gefühlen, Wachstumsorientierung, Unterstützung von Autonomie und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Diese Prinzipien können in E-Learning-Formaten, insbesondere im Blended-Learning, effektiv angewendet werden.
- Bedingungslose Wertschätzung: In Workshops können Lernende ihre persönlichen Erfahrungen mit Kursleitern teilen, wodurch eine unterstützende Lernatmosphäre entsteht. Online können Videokonferenzen und individuelle Bearbeitungsoptionen die Bedingungslose Wertschätzung fördern.
- Wertschätzungs-Karten: Lernende können einander Wertschätzungsnachrichten schreiben und diese austauschen. Dies fördern offene Kommunikation und das Ausdrücken von Wertschätzung, auch anonym.
- Echtheit: Durch die Verwendung authentischer Lernmaterialien und Praxisbeispiele aus dem Alltag sowie interaktive Elemente wie Foren wird die Echtheit im E-Learning betont.
- Feedback-Café: Diese Übung fördert Echtheit und offene Kommunikation in Gruppen, indem sie den Teilnehmern ermöglicht, sich gegenseitig Feedback zu geben und zu empfangen.
- Empathie: Durch Szenarien, die reale Situationen widerspiegeln, interaktive Frage- und Antwortmöglichkeiten sowie Perspektivwechsel-Übungen wird das einfühlsame Verstehen gefördert.
- Empathisches Zuhören in Dyaden: Diese Übung fördert Empathie, indem sie die Teilnehmer dazu ermutigt, die Perspektive einer anderen Person einzunehmen und deren Gedanken und Gefühle zu reflektieren.
- Akzeptanz von Gefühlen: Reflexionsphasen, Selbstreflexionsaufgaben und der Austausch mit anderen Lernenden können genutzt werden, um Gefühle im E-Learning zu erforschen und zu akzeptieren.
- Wachstumsorientierung: Lernpfade, Lernziele und Fortschrittsverfolgungssysteme können verwendet werden, um die individuelle Entwicklung im E-Learning zu fördern. In Präsenzphasen können Persönliche Entwicklungspläne vorgestellt werden.
- Selbstgesteuerte Lerngruppen: Diese Methode ermöglicht den Lernenden, ihren eigenen Lernprozess zu planen und zu steuern, was die Autonomie stärkt.
- Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten: Regelmäßige Erfolgserlebnisse, Mentoring-Programme und Peer-Feedback können das Selbstvertrauen der Lernenden stärken.
Die Anwendung dieser Prinzipien fördert die persönliche Entwicklung von Lernenden im Blended-Learning-Ansatz, indem sie eine unterstützende und beziehungsorientierte Lernumgebung schaffen und das Selbstkonzept der Lernenden positiv beeinflussen.